André Bücker, Theater Augsburg

Theater Augsburg: Der Intendant und die Flucht einer Sängerin

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Interview: André Bücker ist seit einem halben Jahr Intendant des Theaters. In der Zeit haben einige Künstler dem Haus den Rücken gekehrt, doch es kam auch neues Publikum.

Herr Bücker, Sie sind seit einem halben Jahr Intendant in Augsburg und sitzen jetzt auch im Martinipark. Sind Sie gut angekommen?

André Bücker: Am Ort hier ist das Theatergefühl besser und greifbarer, als zur Zeit, da ich in der Kasernstraße saß. Man ist nah an der Bühne hier und die Bühne ist letztendlich das Herz des Hauses. Man geht die Treppe runter, ist in der Maskenwerkstatt, trifft die Ankleider, trifft die Techniker… Der Kontakt zum Produkt ist viel, viel intensiver hier.

Und in Augsburg wurden Sie auch gut aufgenommen?

Bücker: Ja, ich bin sehr gut aufgenommen worden. Die Kontakte in der Stadt waren alle sehr einfach, von Anfang an. Das war sehr offen.

Der Augsburger ist offen?

Bücker: (lacht) Hab’ ich so empfunden, ja. Dass es Einzelne gibt, wo es nicht so ist, liegt ja in der Natur der Sache. Natürlich gab es für gewisse Sachen Gegenwind. „Prima Donna“ ist als Inszenierung schlecht weggekommen. Da gab es Diskussionen. Auch um Cathrin Lange und andere Abgänge.

Theater Augsburg: Ärger um Cathrin Lange

Cathrin Lange und Kerstin Descher waren beliebt, haben sich aber offenbar unter der neuen Intendanz nicht wohlgefühlt…

Bücker: Das kann man so sehen, das kann man aber auch anders sehen.

Wie meinen Sie das?

Bücker: Cathrin Lange war nicht zufrieden mit den Rollen, die sie singen sollte in der Spielzeit. Das kommt vor, gerade bei Intendantenwechseln. Natürlich hat man neue Sänger, hat einen anderen Fokus auf das, was kommen soll, damit war Frau Lange nicht glücklich. Wir haben ihr gesagt, das ist diese Spielzeit, das wird nächste Spielzeit besser im Theater Augsburg. Das ist ein normaler Vorgang. Es gab ja trotzdem gute Partien für sie. Wir haben ihr auch immer gesagt, dass wir sie schätzen und sie im Ensemble behalten wollen.

Aber man kam nicht überein?

Bücker: Frau Lange hat irgendwann gesagt, sie möchte gastieren. Wir haben ihr einen Gastierurlaub genehmigt, sie hat in Berlin gesungen und dann Herrn Herzog (den Operndirektor, d. Red.) kontaktiert und gesagt, sie möchte noch einmal gastieren, diesmal in Darmstadt. Wir haben das sogar geprüft, aber es ließ sich nicht mit dem Spielplan vereinbaren und sie freizustellen, hätte schwere Nachteile für das Theater Augsburg bedeutet. Das war kurz vor dem Probenbeginn für „Prima Donna“, wo sie besetzt war für die Rolle der Marie.

Die sie dann nicht sang.

Bücker: Frau Lange hat gesagt, das könne sie nicht singen, das sei zu hoch. Aber natürlich kann sie das singen, das haben alle musikalischen Leiter im Haus gesagt. Später hat sie mich angerufen und gesagt, sie will aus dem Vertrag. Und wenn ich ihr keinen sofortigen Aufhebungsvertrag gäbe, dann würde ich schon sehen, was ich davon habe. Sie hätte beste Kontakte in die Stadt und zur Presse. Das ist die Geschichte.

Operndirektor Daniel Herzog stand in der Kritik. Es hieß, er besetze die Stimmen falsch.

Bücker: Diese Kritik ist nicht gerechtfertigt, hier wurde gezielt Stimmung gemacht. Die Beurteilung von Stimmen ist grundsätzlich etwas sehr Subjektives. Daniel Herzog ist jemand, der sich exzellent mit Stimmen auskennt. Er hat über 20 Jahre Erfahrung als Operndirektor und Künstlerischer Betriebsdirektor, als jemand, der Sänger sucht und findet und pflegen kann. Er hat nicht umsonst Stimmen wie Cecilia Lee gefunden. Das ist seine Entdeckung, eine Stimme, die noch eine richtig große Karriere vor sich hat. Im Übrigen stimmen wir jede Entscheidung über Besetzungen und Engagements ganz eng mit der musikalischen Leitung, also mit dem Generalmusikdirektor und den Kapellmeistern, ab.

Als designierter Intendant haben Sie Neuerungen angekündigt: Neues Publikum gewinnen, lokale Akteure einbinden. Was haben Sie bereits erreicht?

Bücker: Von „erreicht haben“ kann man da nicht sprechen. Das ist ein Prozess, der dauert – gerade neue Zuschauerschichten zu erreichen. Wir merken punktuell, dass Leute in den Martinipark kommen, die vorher nicht ins Große Haus gekommen sind. Ich glaube, so ein bisschen passiert da schon was. Aber dass man jetzt schon von großen Erfolgen sprechen könnte, glaube ich nicht.

Wie sieht’s mit der lokalen Szene aus?

Bücker: Was die Zusammenarbeit in der Stadt betrifft, sind wir auf einem sehr guten Weg. Das Theater Augsburg hat mit Videokünstlern und Musikern aus der Stadt gearbeitet. Wir haben nach wie vor Gastspiele aus der freien Szene in unserem Haus. Wir machen mit dem Textilmuseum nächstes Jahr ein größeres Projekt, auf dem Gaswerk wird einiges passieren. Jetzt kommt unser Projekt mit dem Grandhotel Cosmopolis, wir sind im MAN-Museum präsent, spielen in der Galerie Noah. Es gibt viele kleine Inseln im Rahmen von „Plan A“ und der Theaterpädagogik, die sich so langsam in die Stadt tentakeln. Das finde ich sehr gut.

Was klappt noch gut?

Bücker: Was super geklappt hat, neben einigen wichtigen Inszenierungen, ist der Tatort. Was super geklappt hat, sind die Theaterpredigten. Da ist die Resonanz klasse. Das sind Termine, wo ein Austausch mit dem Publikum stattfindet, wo man auch kritisch-konstruktiv angesprochen wird. Das wollen wir nächste Spielzeit noch intensiveren. Da machen wir zwei neue Formate, weil wir merken, dass es beim Publikum ein großes Bedürfnis nach Kontakt gibt.

Wie gut hat das Publikum den Martinipark angenommen?

Bücker: Es ist so einfach nicht; ein Umzug, ein neuer Ort. Das muss man etablieren. In den ersten vier Monaten lief das hervorragend, was die Zahlen angeht. Da haben wir gekratzt an den letzten Zahlen, als es das Große Haus noch gab. Damit hätte ich nie gerechnet. Wir hatten ja zwei Wechsel: ein neuer Intendant, eine neue Spielstätte. Das ist schon relativ viel für ein Publikum.

Theater Augsburg: „Prima Donna“ ist nicht gut gelaufen

Das nicht alle Inszenierungen so gut annimmt, wie Sie anfangs hofften.

Bücker: Wir haben auch eine Delle, ja: „Prima Donna“ ist nicht so gut gelaufen, wie wir uns das gewünscht hätten. Darüber bin ich traurig, aber das kann eben auch passieren. Ein Werk, das extrem schlecht besprochen wurde, das hat natürlich Auswirkungen aufs Publikum.

Bereuen Sie jetzt den Entschluss, das Stück auf den Spielplan genommen zu haben?

Bücker: Nein. Der Versuch, das Publikum mit neuen Werken bekannt zu machen, ist alles andere als gescheitert. Das Publikum, das zu „Prima Donna“ kommt, ist ja durchweg begeistert. Es ist absolut legitim, dass Dinge auch mal weniger Leute erreichen. Wenn wir keine Risiken mehr eingingen, was wären wir dann?

Der Martinipark an sich, eine Fabrikhalle, war ja schon ein Risiko.

Bücker: Ich finde den Martinipark toll. Und: Es gab keine vernünftige Alternative. Natürlich träumt kein Sänger davon, in einer Halle zu spielen. Aber wenn das tolle Inszenierungen sind und das Publikum kommt, dann ist alles gut. Wir haben einige akustische Verbesserungen gemacht. Ich finde, der Klang ist äußerst akzeptabel hier. Es ist ja auch so, dass das Orchester sich hier einen Klang erarbeiten muss für den Martinipark. Die Dirigenten müssen anders dirigieren, die Musiker anders spielen. Das passiert nicht von heute auf morgen.

Was muss noch verbessert werden?

Bücker: Es gibt immer noch Fragen vom Publikum: Wie kommt man hin, es ist nicht gut ausgeschildert. Ich kann da immer nur die Hände heben, ich habe an die Stadt appelliert, noch was zu machen. Mit den Parkplätzen arrangieren die Leute sich, unsere Shuttles von der City Galerie werden auch stärker genutzt.

Es gibt wieder einen Opernball
Der nächste Umzug steht schon an. Nächstes Jahr, Gaskessel, klappt das?

Bücker: Das klappt. Ja. Am 12. Januar haben wir dort die erste Premiere. Das steht. Aber das wird noch einmal eine riesige Herausforderung für alle Mitarbeiter. Man zieht ja nicht ins gemachte Nest.

Und wenn alles saniert ist, gibt es wieder einen Opernball, oder?

Bücker: Ja klar. Wenn das Große Haus fertig ist, gibt’s einen Opernball.

Das Gespräch führten Nicole Prestle, Jürgen Marks und Richard Mayr.

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