Als der junge Kollege am Sonntag auf Twitter und Facebook witzig sein wollte, postete er ein Foto eines kleinen Jungen mit rundlichem Bauch. Darunter schrieb er: „Falls einer nen Ball vermisst #nedmex“.
Unpassender Witz auf Kosten eines Kindes. Voll daneben. Peinlich. Leider schrieb er im Namen eines großen regionalen Medienhauses, der Augsburger Allgemeinen.
Der Shitstorm lieferte hunderte kritische Kommentare
Was dann passierte, nennt man Shitstorm. Hunderte kritische bis wütende Kommentare auf Facebook und Twitter. Mein Kollege Sascha Borowski hat es in seinem Blog sehr gut beschrieben und sich noch einmal für den Kollegen entschuldigt.
Heute ist der Sturm abgeflaut. Doch in seinem Rücken plätschert nun die übliche Welle der Mediendienste und Medienblogger. Sie arbeiten sonntags meist nicht, daher nehmen sie sich erst heute des Themas an. Und natürlich verarbeiten sie auch persönliche Präferenzen unter dem Label der Empörung.
Newsroom.de-Schreiber Bülend Ürük meint, dass die Augsburger Allgemeine sich „auf Kosten eines übergewichtigen Jungen“ profiliert. Blogger Thomas Knüwer, bekannt für seine verlagskritische Haltung, ätzt: „Es gibt Leute, die halten die Augsburger Allgemeine für Journalismus“.
Potzblitz! Das hat gesessen… Es ist unschwer zu erkennen, dass die beiden Herren irgendein Mütchen kühlen und nicht über unseren Fehler und den folgenden, verdienten Shitstorm berichten wollten. Dabei ist dieser Fall außerordentlich interessant. Wirft er doch ein Schlaglicht auf die Herausforderungen für Medienhäuser in den sozialen Medien.
Die Redaktion der Augsburger Allgemeinen entschied schon 2009, dorthin zu gehen, wo immer mehr unserer Nutzer sich aufhalten. Zu Facebook, zu Twitter, zu Youtube, später zu Google+. Heute posten die Online-Kollegen und Redakteure aus 16 Lokalredaktionen bei Facebook. Es geht uns darum, unsere Inhalte zu verbreiten und die Netzwerke zur Recherche zu nutzen.
Und wer kontrolliert, was gepostet, wie diskutiert und recherchiert wird?
Das übernehmen die Ressorts selbst. Eine zentrale Qualitätskontrolle findet nur im Nachgang statt. Soll die Chefredaktion etwa jeden Post vorher freigeben? Um Misstöne in diesem Social-Media-Orchester zu vermeiden, haben wir schon 2011 klare Leitlinien erarbeitet und in der Redaktion kommuniziert.
Sie regeln eine einheitliche Optik unserer Auftritte und die Inhalte. Unter Punkt 8 heißt es zum Beispiel: „Beachten Sie bei sämtlichen Veröffentlichungen im Netz die möglichen Folgen, argumentieren Sie sachlich, beleidigen niemanden und zeigen Sie Respekt im Umgang mit Dritten.“
Die insgesamt zehn Leitlinien sind jetzt fast drei Jahre lang konsequent eingehalten worden. Vielleicht gab es in dieser Zeit mehrere tausend Posts. Das entschuldigt nicht, dass es am Sonntag einmal schiefging. Vielleicht wird auch irgendwann wieder mal ein Fehler passieren. Wir ärgern uns jetzt schon darüber.
Aber die Häme à la Knüwer/Ürük ist billig. Mehr Mühe hat sich Meedia gemacht. Die Kollegen haben sich angeschaut, wie professionell unsere Online-Redaktion mit dem Shitstorm umgegangen ist und dies in einigen Grundregeln beschrieben:
„Schnell reagieren, Fehler eingestehen, sich entschuldigen. Die als falsch/unpassend erkannten Inhalte entfernen. Das eigene Vorgehen transparent dokumentieren.“
Der Beitrag hat uns gefreut. Auf der anderen Seite hätten wir gerne darauf verzichtet. Einen Shitstorm „Made in Augsburg“ braucht kein Mensch.