Mobilität: Richtig ist, was den Autoverkehr reduziert. Das tut die kostenlose Tram in der Augsburger Innenstadt ab 2020 nicht.
Ein Freund aus Schwabmünchen erzählte mir, dass er das kostenlose Tram-Ticket der Augsburger Stadtwerke ab Januar 2020 für unsinnig hält. “Wenn ihr in Augsburg weniger Autos wollt, dann müsst ihr die regionalen AVV-Tickets viel günstiger oder kostenlos anbieten”, sagte er. Denn wer verstopft denn – neben den Augsburgern selbst – die Straßen eurer schönen Stadt?, fragte er. Es sind die Pendler, Ausgeh- und Shopping-Besucher aus Bobingen, Friedberg oder Meitingen, die mit dem Auto kommen.
Als ich mir das Thema näher anschaute, musste ich feststellen: Mein Freund aus Greater Augsburg hat nicht unrecht. Für die 17-minütige Zugfahrt von Schwabmünchen nach Augsburg müsste er 7,50 Euro, inklusive Rückfahrt 15 Euro zahlen. Der Samstagsausflug mit seiner Frau und der volljährigen Tochter nach Augsburg würde die Familie mit dem AVV-Regionalzug insgesamt 18,20 Euro kosten. Der Tarif ist das Tagesticket plus zwei Mitreisende. (In einer früheren Version dieses Beitrags hatte ich das Tagesticket auf er AVV-Website übersehen und mit Ticketkosten von dreimal 15 Euro, also 45 Euro kalkuliert.)
Mit dem Auto nach Augsburg ist billiger
Nun sind 18,20 für die Strecke auch nicht wenig Geld. Doch setzt man die Auto-Kosten pro Kilometer mit realistischen 0,39 Cent an (Treibstoff, Abnutzung, Reparaturen etc.), so zahlt die Familie für die 62 Kilometer von Schwabmünchen in die Bezirkshauptstadt und zurück mit dem Auto etwa 24 Euro. Hinzu kommen 80 Cent pro Stunde Parkgebühren in der Citygalerie. Für vier Stunden Aufenthalt in Augsburg berappt ein Autofahrer aus Schwabmünchen also etwa 27 Euro – statt im AVV-Regionalzug mit seiner Familie 18,20 Euro. Trotz des Kostenvorteils für den Zug wählen die Menschen aus dem Umland mehrheitlich das Auto.
In der Augsburger Innenstadt sehe ich sehr viele Autos mit Kennzeichen aus dem Umland. Die kreiseln auch gerne in den engen Gassen der Altstadt, um einen Parkplatz zu finden. Keiner von ihnen wird auf das Auto verzichten, weil ab Januar 2020 der Tramverkehr in der Augsburg Kernstadt zwischen Hauptbahnhof, Königsplatz, Moritzplatz und Rathausplatz kostenlos wird.
Kostenlose Tram: Nur ein netter Marketing-Gag
Dieses Tram-for-free-Konzept der Stadtwerke in Augsburg-City ist ein gutes Marketing-Instrument, um von der misslungenen Tarifreform 2018 abzulenken. Es wird Fußgänger und Radler motivieren, in die Tram zu steigen – statt zu laufen oder zu radeln. Die Zahl der Autofahrten in der Innenstadt reduziert das nicht. Es gibt keinen Effekt, der den Klimawandel verlangsamt oder die Stickoxydwerte auf Augsburgs schmutzigster Meile in der Karlstraße verringert.
Wer also Augsburg vom Autoverkehr entlasten möchte, müsste zunächst die Attraktivität der Bahnfahrten aus dem Umland im Vergleich zum Auto steigern. Ein paar Euro Kostenvorteil reichen offenbar nicht aus, um die Menschen von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Also: Die Regionalbahnpreise müssen deutlich sinken. Das wäre gut angelegtes Geld.
Als Ergänzung zu einem wirklich günstigen Regionalzug-Ticket würde dann auch die Tram-for-free Sinn machen. Denn wer am Augsburger Hauptbahnhof aussteigt, könnte kostenlos zum Moritzplatz weiterfahren. Das wäre als Gesamtkonzept stimmig.