In Barcelona werden die neuesten Smartphones präsentiert. Die schöne Hightech-Welt hat aber auch Schattenseiten. Manchmal ist weniger Vernetzung mehr
Die digitale Revolution hat uns mit der ganzen Kraft ihrer Datenflut erreicht. Was mit den ersten klobigen Tischcomputern und der aus heutiger Sicht betulichen E-Mail-Kommunikation begann, piepst und blinkt heute in atemberaubendem Tempo. Angeblich über zwei Milliarden Smartphones weltweit vernetzen die Menschheit. Mehr noch: Sie organisieren unser Leben.
Die digitale Revolution läuft ohne deutsche Beteiligung
Auf dem Mobile World Congress in Barcelona werden dieser Tage die neuesten Mobiltelefone und die passenden Hightech-Uhren vorgestellt. Die kleinen Wunderdinger mit noch schärferen Bildschirmen und noch stärkeren Mikroprozessoren werden mit mehr Bohei präsentiert als früher zum Beispiel ein neuer Mercedes-Benz – der Stolz der deutschen Ingenieurskunst.
In Barcelona ist die nicht mehr gefragt. Dort dominieren asiatische und amerikanische Unternehmen. Deutschland und Europa sind im Geschäft mit der digitalen Kommunikation abgehängt. Die meisten Innovationen stammen aus dem Silicon Valley.
Dort erfand vor acht Jahren der US-Konzern Apple das erste Handy mit großem, buntem Bildschirm. 2007 kam das erste iPhone auf den Markt. Trotz dieser kurzen Spanne ist das Smartphone für viele heute unersetzlich geworden: Echtzeit-Kommunikation, Preisvergleiche, Navigation, Wetter, Nachrichten, Musik, Fotos, Bankgeschäfte, Spiele, Partnersuche. Für jedes Bedürfnis findet sich irgendeine App.
Das praktische Smartphone erleichtert unser Leben, weil es Wissen und Nutzen überall verfügbar macht.
Und morgen? Noch mehr digitale Vernetzung. Selbstfahrende Autos reduzieren die Zahl der Unfälle. Der Kühlschrank meldet dem Lieferservice, dass die Milch ausgetrunken ist. In der Dusche fahndet täglich ein Ganzkörperscanner nach krebsverdächtigen Veränderungen. Und Omas Digitaluhr alarmiert den Hausarzt über den Datenhighway, wenn das Herz flimmert.
Schöne neue Welt? Ja und nein. Das praktische Smartphone erleichtert unser Leben, weil es Wissen und Nutzen überall verfügbar macht. Aber es hat auch bedrohliche Seiten. Wirkt es nicht gespenstisch, wenn Familien sich im Restaurant nicht unterhalten, sondern am Tisch auf ihre Displays starren? Jugendliche, wegen ihrer Blickrichtung schon als Generation „Kopf unten“ verspottet, chatten den ganzen Tag mit Freunden, teilen Fotos und Videos. Nichts scheint ihnen wichtiger, als im Hamsterrad der digitalen Kommunikation zu laufen.
Die Hochglanz-Minis haben das Leben in der Tat nicht nur zum Guten verändert. Wissenschaftler nennen Handy-Sucht in einem Atemzug mit Alkohol-, Nikotin und Spiel-Sucht. Das mag übertrieben sein. Aber wer – wie bei durchschnittlichen Nutzern festgestellt – fünfmal pro Stunde auf seinen mobilen Computer schaut, offenbart nach Einschätzung von Experten eindeutige Merkmale einer Abhängigkeit.
Zum Sklaven seines Handys, wie gelegentlich behauptet, sind viele Intensiv-Nutzer bislang nicht geworden. Aber wenn in Barcelona die nächste Generation noch schnellerer Smartphones präsentiert wird, ist das ein guter Zeitpunkt, um über den eigenen Umgang mit der Technik nachzudenken.
Vielleicht ist weniger manchmal mehr. Ein Sonntag ohne Handy muss kein schlechter Tag sein. Und wer mit Menschen spricht oder auf der Zugfahrt aus dem Fenster schaut, hat vielleicht auch interessante Einblicke.
Es ist an der Zeit, dass wir lernen, mit den Herausforderungen der Vernetzung kritisch umzugehen. Bevor Realität wird, was US-Autor Dave Eggers in seinem Zukunftsbestseller „Circle“ 2013 beschrieben hat: ein völlig transparentes, digitales Leben – bis zur völligen Erschöpfung.