Manchmal sind es die kleinen, vermeintlich unwichtigen Dinge, die Großes für eine Stadt bewegen können. Die Stimmung in Augsburg ist, so wird überliefert, nach der Fußball-WM 1990 eine andere geworden. Damals haben die Menschen erstmals richtig auf der Maximilianstraße miteinander gefeiert. Das Gemeinschaftserlebnis im prachtvollen Wohnzimmer dieser historisch-schönen Stadt hat ein wohliges Augsburg-Gefühl ausgelöst, dass sich langsam, aber stetig verbreitete.
Tatort Augsburg: Ein positiver Faktor wie der FCA
Wer das vorausgesagt hätte, wäre belächelt worden. Die Augsburger Politiker haben sich vor 25 Jahren wohl um Wichtigeres gekümmert. Straßenkreuzungen, Museumssanierungen oder neue Kindergärten standen auf der Tagesordnung.
Einer der mächtigsten positiven Stimmungsfaktoren der vergangenen Jahre galt ebenfalls als vermeintlich unwichtig: Der FC Augsburg rockt die Fußball-Bundesliga. Und viele Menschen aus Greater Augsburg fühlen Stolz und Selbstbewusstsein, wenn sie in Deutschland (und Europa) auf den Klub angesprochen werden.
12 Millionen sahen den Tatort aus Nürnberg
Den Münsteranern mag es ähnlich gehen. Wer aus der westfälischen Stadt kommt, wird gerne auf den dort gedrehten Tatort-Krimi mit Professor Börne (Jan-Josef Lieffers) angesprochen. Vielleicht erfreut der Zuspruch bald auch die Nürnberger, die sich nun erstmals vor zwölf Millionen Fernsehzuschauern als Tatort-Stadt mit bodenständigen Menschen und toller nächtlicher Skyline präsentierten.
Die Idee einer Tatort-Stadt Augsburg ist in dieser Kolumne vergangene Woche schon zum dritten Mal aufgegriffen worden („Augsburg verschläft den Tatort“). Der erste Beitrag datiert aus dem Jahr 2010 („OB Gribl und der Traum vom Augsburger Tatort“).
Doch dieses Mal scheint sich erstmals etwas zu bewegen am Tatort Augsburg. Leser schreiben Briefe an die Zeitung. Anrufer entwerfen schon Drehbuch-Ideen. Eine Königsbrunner Lehrerin erwägt, mit ihren Schülern am Skript zu arbeiten. Und bei einer AZ-Straßenumfrage haben wir niemanden gefunden, der von der Idee nicht begeistert wäre.
Wirklich niemand? Nun ja. In der Augsburger Kommunalpolitik hält sich das Interesse offenbar in Grenzen. Bekannt ist, dass vergangenes Jahr eine Programmbereichsleiterin des Bayerischen Fernsehens (BR) eine Kontaktaufnahme mit einem lapidaren Absagebrief quittierte. Aus dem Umfeld von Oberbürgermeister Kurt Gribl ist zu hören, der BR habe der Stadt bedeutet, der Franken-„Dadord“ aus Nürnberg habe nun erstmal Priorität.
Der Tatort Augsburg braucht ein breites Bündnis
Und nun? Ruhig verhalten, hinten anstellen und abwarten, ob ein denkbarer dritter Bayern-Tatort aus Passau oder Regensburg kommt? Das wäre falsch.
Denn eine Tatort-Bewerbung braucht ein breites politisch-gesellschaftliches Bündnis, wie es derzeit für eine Tatort-Stadt Ulm kämpft. So etwas muss beizeiten geschmiedet werden. Für das Bohren dicker Bretter ist ein Netzwerk zu Entscheidern wie BR-Intendant Ulrich Wilhelm nötig.
Aber vielleicht ist das Thema tatsächlich zu unwichtig für die Augsburger Politik. Oder ist jemand anderer Meinung?
Eine Stadt mit einer 2000 jährigen Geschichte, in der sogar mehrmals europäische Geschichte geschrieben wurde, hat mehr zu bieten für einen Tatort als eine wunderschöne Kulisse. Es gibt dort knorrige Typen, und viel zu entdecken, was einem Sonntagspublikum Spaß bereiten könnte. Als BR, auf nach Augsburg, schreibt ein gutes Drehbuch, und macht einen spannenden Tatort.