Kommentar: In anderen deutschen Großstädten werden Fahrverbote wegen mieser Luft diskutiert. Schwabens Metropole geht einen anderen Weg: Smart City. Das könnte modellhaft sein.
Die Ankündigung, ab 2019 den öffentlichen Nahverkehr in der Augsburger City kostenlos anzubieten, hat bundesweit Aufmerksamkeit erregt. In Bayerns Hauptstadt fragte eine Zeitung: „Vorbild für München?“ Das ist Balsam für Augsburger Seelen, plagte doch die Stadt lange ein seltsames Minderwertigkeitsgefühl in der Nachbarschaft zu München.
Doch das ist längst vorbei. Seit einigen Jahren strebt Schwabens Hauptstadt nach höheren Weihen. Das große kommunale Krankenhaus wird zur Uniklinik, die städtische Bühne erhält den Rang eines Staatstheaters, die Staatsregierung verlieh Augsburg den Rang einer Metropole. Nicht zu vergessen: Seit sieben Jahren ist Augsburg Standort eines Fußball-Bundesligisten, der es im Europapokal bis an die Liverpooler Anfield Road schaffte.
Smart City: 66 deutsche Städte verstoßen gegen die Grenzwerte
Nun schickt sich die Stadt zwischen Lech und Wertach an, in einer herausfordernden Situation für viele deutsche Großstädte modellhafte Lösungen zu entwickeln. Es geht um das Thema Luftreinhaltung und Verkehr in der City. 66 deutsche Städte verstoßen im Jahresdurchschnitt gegen die Stickoxid-Grenzwerte. Seit Donnerstag klagt sogar die EU-Kommission gegen die Bundesregierung, weil sie zu wenig gegen die gesundheitsschädliche Luft tut.
Augsburg gehört auch zu den Städten, in denen die Grenzwerte überschritten werden. Im Gegensatz zu München, das die schmutzigste Luft der Republik hat, sind die Werte jedoch nur leicht erhöht. Doch während an der Isar, in Hamburg und Stuttgart über drohende Diesel-Fahrverbote zur Luftverbesserung diskutiert wird, packt die Augsburger Stadtregierung das Problem von einer anderen Seite an.
Smart City: Augsburg setzt auf Angebote statt Verbote
Augsburg setzt auf Angebote statt Verbote und hat gleich ein ganzes Maßnahmenpaket entwickelt, um den Verkehr in der Innenstadt neu zu entwickeln. Dabei hat der kostenlose Fahrschein in einer „City Zone“ mit acht Haltestellen jedoch eher etwas Symbolhaftes. Denn der ticketfreie Nahverkehr in deutschen Städten war eine Schnapsidee der neuen Bundesregierung im Frühjahr.
Die fünf ausgewählten Modellstädte lehnten rasch ab, da der bestehende Fuhrpark auf so ein Angebot nicht ausgerichtet ist. Die Anbieter wären dem Ansturm nicht gewachsen. Ein kleines kostenloses Innenstadtnetz wird indes ein paar zusätzliche Fahrgäste aushalten.
Smart City: Eine App zeigt freie Parkplätze auf der Augsburger Prachtmeile an
Das Augsburger Novum ist der gesamtheitliche Ansatz der Konzepte sowie die Geschwindigkeit, mit der zuschussfähige Maßnahmen entwickelt wurden. Zur Förderung des Radverkehrs werden drei automatische Fahrrad-Parkhäuser gebaut. Sie kosten jeweils eine knappe Million Euro, die der Freistaat mit mehr als 70 Prozent Zuschüssen fördert. Autofahrer können in absehbarer Zeit per App erfahren, ob in der Prachtmeile Maximilianstraße freie Parkplätze zu finden sind. Wenn nicht, fährt man lieber gleich ins Parkhaus, was unnötigen Suchverkehr vermeidet. Alle Projekte werden bis Juli in einem Masterplan zusammengeschnürt, um Fördergelder aus dem Dieselfonds der Bundesregierung zu erhalten.
Zudem startet Oberbürgermeister Kurt Gribl mit einem „Clean Air Tech Day“ Anfang Juni eine Ideen-Messe für innovative technische Lösungen zur Reduzierung der Luftbelastung. Anmeldungen gibt es auch aus Stuttgart und München. Es ist kein Zufall, dass am gleichen Tag die Bayerische Staatsregierung in Augsburg tagt. Der Schwerpunkt: Verkehr.
Mit diesen modellhaften Ansätzen nähert sich Augsburg der Vision einer Smart City mit besserer Luft und mehr Aufenthaltsqualität. Wenn die Ideen zünden, kann die bayerische Umweltstadt zum Vorbild für andere werden.