Augsburg zum Münchner Flughafen

Der Schneckenzug von Augsburg zum Münchner Flughafen ist ein Witz

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Kommentar Augsburg hat bald 300 000 Einwohner. Doch zum Münchner Flughafen soll künftig nur eine S-Bahn im Schneckentempo fahren. Sogar das Schienennetz in Lummerland war besser ausgebaut

Augsburg ist eine wachsende Metropole. Bald 300 000 Menschen leben in der Stadt. Inklusive Speckgürtel wächst diese Zahl auf gut eine halbe Million. Die Wirtschaft brummt – trotz geplanter Entlassungen bei Ledvance und Kuka Systems. Die Uniklinik kommt, der Innovationspark schafft Hightech-Perspektiven. Die Innenstadt hat sich aufgehübscht, das Theater wird saniert, der Bahnhof modernisiert. Es gibt viele positive Nachrichten aus der Hauptstadt des Bezirks Schwaben.

Alles gut also? Nicht ganz. Denn ein prosperierender Lebensraum mit wachsender wirtschaftlicher Bedeutung braucht eine Verkehrsinfrastruktur, die der Entwicklung standhält, statt sie zu bremsen.

Von Augsburg zum Münchner Flughafen: Das S steht für Schnecke.

Das derzeit wohl größte Augsburger Infrastruktur-Ärgernis ist die schlechte Schienenanbindung an den Münchner Flughafen. Am Dienstag berichtete unsere Zeitung über Pläne, die Stadt ab 2026 mit einer S-Bahn an den Airport anzubinden. Die zweite Stammstrecke in München mache dies möglich. Die nun geplante S-Bahn soll ein großes X im Namen führen. Das steht für Express. Doch die Fahrtzeit zwischen Hauptbahnhof Augsburg und Flughafen München soll überlange 90 Minuten betragen.

Das ist ja wohl ein Witz! Angesichts dieser Zeitspanne können sich die Verkehrsplaner das X verkneifen. Ein großes S wäre treffender: Das steht für Schnecken-Zug.

Erstaunlich ist, dass sich außer dem CSU-Bundestagsabgeordneten Volker Ullrich niemand über diese Bummelzug-Pläne aufregte. Ullrich forderte eine Fahrtzeit von 60 Minuten. Länger dürfe es nicht dauern. Etwa so lange braucht man auch mit dem Auto über die gut ausgebaute A 8 zum Flughafen.

Leider erinnert sich kaum noch jemand an die Visionen, die es vor 20 Jahren in Bayern gab. Damals sollte Augsburg mit dem ICE angebunden werden. Der sollte durch den zweiten Stammstreckentunnel bis zum Flughafen rasen. Das stellte sich dann als zu teuer heraus.

Doch noch vor dreieinhalb Jahren versprach Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Augsburgern, dass sie bald mit dem Express-Zug über die zweite Stammstrecke düsen. Wörtlich sagte er im Juli 2014 in München: „Ich habe mich in den letzten Wochen mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass es ein zweiter Tunnel sein wird, der kein reiner S-Bahn-Tunnel ist, sondern durch den auch schnelle Regionalexpress-Züge fahren können, nur um ein Beispiel zu nennen, ohne dass dieses jetzt schon konkretisiert ist, von Augsburg zum Flughafen München.“

Auch das ist vergessen. Jetzt soll eine Schnecken-Bahn reichen, die dann auch noch in Haspelmoor und Althegnenberg bremst, um einzelne Fahrgäste einzuladen. Spötter würden sagen: Da war ja sogar das Eisenbahnnetz in Lummerland besser ausgebaut. Aber Lukas, der Lokomotivführer, musste ja nur in der Augsburger Puppenkiste umherdampfen. Flugzeuge gab es noch nicht auf der Insel mit den zwei Bergen.

Fakt ist: Bundesregierung und bayerische Staatsregierung planen in München für mindestens 3,2 Milliarden (am Ende wahrscheinlich noch viel mehr) Euro einen neuen, modernen Schienentunnel – und die Nachbarstadt Augsburg hat kaum einen Nutzen davon.

Das ist ein Armutszeugnis. Von einer integrierten Verkehrsplanung in der Metropolregion München sind wir so weit entfernt wie der Flugplatz Augsburg von einer internationalen Verkehrsdrehscheibe.

Zum Glück hat Augsburg bald eine gute Alternative. Mit der Fertigstellung der neuen Schienenstrecke (vermutlich 2024) wird der ICE von Augsburg zum Flughafen Stuttgart nur noch 60 Minuten brauchen. Augsburger sind dann mit dem Zug schneller am Airport in der Hauptstadt Baden-Württembergs als der Bayerns.

Das wird in München nicht jedem gefallen. Dem Flughafen-Chef sicher nicht. Denn der wünscht sich mehr Passagiere und wachsende Umsatzzahlen im Erdinger Moos. Mit so einer Bimmelbahn, wie sie der 300 000-Einwohner-Stadt Augsburg jetzt verkauft wird, wird das aber nichts.

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