Augsburger OB Kurt Gribl mit Horst Seehofer

Horst Seehofer: Augsburger Ehrenbürger mit Kratzern

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Kommentar: Die Auszeichnung des Ex-Ministerpräsidenten ist für politische Gegner schwer zu ertragen. Warum es dennoch die richtige Entscheidung für Augsburg ist.

Aus der Perspektive eines Lokalpatrioten steht es außer Frage, dass Horst Seehofer die Ehrenbürgerwürde der Stadt Augsburg verdient hat. Die von ihm angeschobene Uni-Klinik ist tatsächlich eine Jahrhundert-Chance für die Entwicklung der Schwaben-Metropole.

Die Sicherung der Spitzenmedizin für die Region, die vorhergesagten 6500 Arbeitsplätze im Umfeld dieses neuen Kompetenzzentrum für Gesundheit und Forschung sowie die prognostizierte offenbar nachhaltige Wertschöpfung von 400 Millionen Euro jährlich sind eine Wertschätzung für die Menschen im Großraum Augsburg, die ihnen jahrzehntelang verwehrt blieb.

Ehrenbürger Seehofer: Er kämpfte mit Feder und Schwert

Aber hat Seehofer als Ministerpräsident nicht einfach nur seinen Job gemacht? Nein. Vier CSU-Ministerpräsidenten vor ihm – Franz Josef Strauß, Max Streibl, Edmund Stoiber und Günther Beckstein – haben ihren Job gemacht, als sie Augsburg jahrzehntelang eine Uni-Klinik verwehrten und all den Lobbyisten, Verwaltungsjuristen, Lokalpolitikern und Ministerialbeamten in München und in anderen Landesteilen nachgaben. Die wollten die Milliardenzuschüsse nämlich lieber unter den fünf bestehenden bayerischen Uni-Kliniken aufteilen. „Die Augsburger sollen ihr Krankenhaus alleine finanzieren“, hieß es.

Seehofer hat diese Ungerechtigkeit zunächst mit seiner Feder durchbrochen. „Die Uni-Klinik kommt!!!“, schrieb er am 16. Februar 2009 mit drei Ausrufezeichen ins Goldene Buch der Stadt. Anschließend nahm er das Schwert in die Hand. Wer mit Beteiligten des jahrelangen Prozesses der Klinik-Werdung spricht, erfährt, wie Seehofer aus seiner Staatskanzlei angeschoben, gelenkt und Widerstände durchbrochen hat. Man kann trefflich spekulieren, was ihn zu dieser regionalpolitischen Initiative motiviert hat. Die Rückeroberung des Augsburger Rathauses aus SPD-Hand mag eine Rolle gespielt haben. Wahlsieger Kurt Gribl trat nach seiner Wahl 2008 in die CSU ein.

Und dennoch kann man angesichts der 20 Gegenstimmen im Augsburger Stadtrat nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Augsburg verleiht die Ehrenbürgerwürde seit 1820. Doch es ist nicht überliefert, dass es jemals Gegenstimmen gab. Es war gute Sitte, die Ehrenbürgerwürde an verdiente Persönlichkeiten im Einvernehmen zu übertragen. Im Falle Seehofer konnten Sozialdemokraten und Grüne die Entscheidung nicht mittragen. Stadträte wie Verena von Mutius und Matthias Lorentzen posteten und twitterten wütend noch aus der Sitzung ihre Ablehnung in die Welt.

Auch die Kritik an Ehrenbürger Seehofer ist nachvollziehbar

Auch im Augsburger Kreistag gab es Anfang des Jahres, als Seehofer dort aus gleichem Grund die höchste Auszeichnung – den Ehrenring mit Brillant – erhielt, zehn Gegenstimmen. Vielleicht hat es auch mit dem nun aufziehenden Kommunalwahlkampf zu tun, dass der Widerstand in der Stadt noch ein Stück heftiger war.

Die grundsätzliche Kritik an dem Politiker Seehofer ist natürlich nachvollziehbar. Der Bundesinnenminister hat in den vergangenen Monaten mit seiner harten Linie in der Flüchtlingspolitik („Migration ist die Mutter aller Probleme“) heftige Konflikte mit CDU und SPD ausgelöst. Für die Grünen ist er schon länger der personifizierte Buhmann. Seine maßlosen Attacken auf Kanzlerin Angela Merkel (“Ich kann mit der Frau nicht arbeiten”) haben Seehofers Sympathiewerte in den Keller rauschen lassen. Selbst in der eigenen Partei sah er sich nach dem Absturz bei der Landtagswahl als “Watschnbaum”. Viele CSU-Mitglieder sind nun froh, dass der “Vater vieler Probleme” den Parteivorsitz am 19. Januar endlich abgibt.

Kann man diesen Asyl-Scharfmacher trennen vom Klinik-Förderer Seehofer? Man kann. Der Bundesinnenminister hat nichts Unrechtes getan. Er hat eine Politik vertreten, die ihn an die Spitze von Deutschlands unbeliebtesten Ministern gerückt und seine Laufbahn als Politiker beendet hat.

Doch um Augsburg hat sich der damalige Ministerpräsident mit seinem Einsatz für die Uni-Klinik außerordentlich verdient gemacht. Wenn die Stadtregierung die Auswüchse der dynamischen Klinik-Entwicklung mit den zu stark wachsenden Mieten in den Griff bekommt, werden viele Familien im Großraum Augsburg von Spitzenmedizin und vom erwarteten Wirtschaftsaufschwung profitieren. Deshalb ist er dieser Auszeichnung würdig. Auch wenn seine Ehrenbürgerschaft durch sein politisches Gesamtwirken ein paar tiefe Kratzer erhalten hat.

Lesen Sie auch in der Augsburger Allgemeinen: Warum Horst Seehofer Augsburger Ehrenbürger wird