FCA-Präsident Klaus Hofmann

FCA-Präsident Hofmann: „Maximale Vermarktung ist falsch“

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Interview mit FCA-Präsident Hofmann: „Wir sehen den Video-Beweis positiv“

Beim 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach hat ihr Team gleich zu Saisonbeginn gezeigt, dass es sich in der Liga auch vor Top-Teams nicht verstecken muss. Was trauen Sie ihrer Mannschaft zu? Ihre Spieler gehen ja offensiv voran und sagen, wir orientieren uns nach oben.

Hofmann: Das ist für mich nicht der Maßstab. Ich mag ambitionierte Spieler. Ich bin froh, dass wir Profis haben, die jedes Spiel gewinnen wollen, die nicht vor jedem Gegner Angst haben. Bei uns geht es in erster Linie aber immer um den Klassenerhalt. Jeder, der das verkennt, lebt in einer Traumwelt. Sie müssen nur die letzte Woche der Transferperiode anschauen und dann sagen Sie mir die Zahl, die Wolfsburg ausgegeben hat. Und die haben in den letzten Jahren den Klassenerhalt erst kurz vor Schluss geschafft. Da können wir als FC Augsburg doch keine anderen Ziele ausgeben.

Aber der FCA rangiert in der Fernsehgeldtabelle auf Platz elf und setzt zwischen 90 und 100 Millionen Euro um?

Hofmann: Vom Umsatz her sind wir 14. oder 15. Wenn man in der Geldrangliste dort steht, darf man aus meiner Sicht schon die Zielsetzung haben, erst einmal nicht abzusteigen.

Der FCA hat sich auf dem Transfermarkt sehr zurückgehalten …

Hofmann: Das hat einen einfachen Grund. Stefan Reuter (Geschäftsführer Sport) und Stephan Schwarz (technischer Direktor) ist es gelungen, die Mannschaft zusammenzuhalten. Warum hätten wir noch mehr als die vier Neuen dazunehmen sollen? Es sind viele, vor allem jüngere Spieler mit enormen Entwicklungspotenzial da. Und die müssen ja auch Spielzeit bekommen. Vor allem mit Spielzeit werden sie besser.

Gab es konkrete Anfragen für Philipp Max oder Michael Gregoritsch?

Hofmann: Das muss man mit Stefan Reuter besprechen. Das ist nichts, was der Präsident öffentlich kommuniziert. Die Spieler sind hier, das war immer unsere Zielsetzung und das Ergebnis haben wir gegen Gladbach gesehen.

Sie hatten also genug Wirtschaftskraft, keinen der umworbenen Spieler abgeben zu müssen …

Hofmann: Erstens war es ein Signal an die Mannschaft, dass wir jeden Samstag das Ziel haben, jeden Gegner in Bedrängnis bringen zu können. Der zweite Teil ist: Als ich hier Präsident wurde, hatten wir ein negatives Eigenkapital. Seitdem haben wir jedes Jahr schwarze Zahlen geschrieben und ein deutlich positives Eigenkapital.

Was heißt negatives Eigenkapital?

Hofmann: Wir hatten weniger Vermögenswerte als Verbindlichkeiten. Es gibt die Regelung bei der DFL, dass man bei vorhandenem negativen Eigenkapital dieses jährlich um einen gewissen Prozentsatz verbessern muss. Erfolgt dies nicht, so wird dies von der DFL sanktioniert bis hin zum Punktabzug oder gar Lizenzentzug. Das bedeutete schon immer Druck für den FC Augsburg.
In ihrem Vorwort zum Gladbach-Spiel haben Sie in der Stadion-Zeitschrift geschrieben, man soll sich den Spaß an der Bundesliga nicht nehmen lassen? Wann macht Ihnen die Bundesliga Spaß?
Hofmann: Wenn ich so ein Spiel wie gegen Gladbach sehe. Richtige Spielkultur, ein intensives Spiel, in dem in jeder Sekunde etwas passieren kann, Zuschauer, die fasziniert sind von der Qualität der Spieler und des Spiels. Das macht die Bundesliga aus. Ich sehe die Bundesliga nach wie vor nicht als Produkt, sondern tatsächlich noch als Identifikationssportart. Ich meine nach wie vor, dass sich der Fußball deutlich von den amerikanischen Sportarten unterscheidet, weil sich die Fans damit identifizieren. Wir müssen aufpassen, dass uns dies nicht aus den Händen gleitet.

Stehen Sie mit ihrer Meinung, Fußball sei kein Produkt, nicht relativ allein da, wenn man die Entwicklung in Richtung maximaler Vermarktung verfolgt?

Hofmann: Das glaube ich nicht. Mit Vereinen wie Mainz oder Freiburg haben wir durchaus Verbündete. Es gibt Klubs, da ist Fußball ein reines Produkt, das stimmt schon. Und es gibt Gräben in der Bundesliga, wie übrigens auch bei der Diskussion über 50+1. Aber wir als Vereine haben das, anders als in den USA, selbst in der Hand. Wir Vereine bestimmen den Weg der DFL. Wenn die DFL-Führung meint, sie will die maximale Vermarktung mit möglichst hohen Werbeeinnahmen, dann kann man diese Auffassung teilen. Aber ich denke nicht, dass diese Meinung derzeit mehrheitsfähig ist.

Was sind Ihre Gegenargumente?

Hofmann: Die maximale Vermarktung der Bundesliga ist falsch. Die würde auch nichts am Abschneiden der Bundesliga in Europa ändern. Vom Grundsatz her haben wir in Deutschland im Durchschnitt der letzten zehn Jahre hinter England den zweitbesten Fernsehvertrag in Europa. Nur wenn wir gegen englische Klubs siebenmal verlieren würden, könnte man mit mir reden, dass wir mehr Vermarktung brauchen und dass die 50+1-Regel fallen muss. Stand jetzt ist das aber Schmarrn.

Warum?

Hofmann: Wir verlieren nicht gegen Liverpool, Manchester City oder Chelsea, sondern gegen Braga und Rasgrad. Das ändern wir auch nicht, wenn wir für die letzten fünf oder zehn Prozent der Vermarktung die Identifikation und Stimmung im Stadion aufgeben und dann zusätzlich über die Abschaffung von 50+1 reden. Ich weiß nicht, ob die letzten fünf bis zehn Prozent zusätzliche Vermarktung den Schaden wettmacht, den sie verursacht.

Meinen Sie, die 50+1-Regel wird fallen? Sie besagt, dass es Kapitalanlegern nicht möglich ist, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben)

Hofmann: Wenn die Fans, dort wo sie wirklich Einflussnahme und Macht haben, wie in Dortmund und Schalke, den Druck auf dem Kessel halten, dann wird 50+1 so schnell nicht fallen. Diese Vereine sind Gradmesser.

Aber Herr Kind von Hannover 96 klagt dagegen.

Hofmann: Das kann er ja. Deutschland ist ein Rechtsstaat. Was rauskommt, bestimmen die Gerichte. Erst einmal gibt es ein ganz klares Urteil der DFL, das sagt: Lieber Martin Kind, du hast die 20-Jahres-Regelung nicht erfüllt, weil du die Zuwendungen, die darin festgeschrieben sind, dem Verein anscheinend so nicht gegeben hast. Damit hat Herr Kind, den ich übrigens persönlich durchaus schätze, die Kriterien der DFL nicht erfüllt.

Was würde passieren, wenn die 50+1-Regelung wirklich abgeschafft würde?

Hofmann: Die gefährliche Diskussion, die jetzt geführt wird, lautet ja: Jeder Verein soll es selbst entscheiden. Das ist Schwachsinn. Wenn es neun machen, was sollen die anderen neun tun? Das ist eine Scheindiskussion, die ganz geschickt von den Befürwortern der Abschaffung angezettelt wurde, weil sie wissen, dass de facto die Regelung dann verschwinden würde. Dagegen werden wir größten Widerstand leisten.

Gibt es Investoren, die Interesse an Anteilen des FC Augsburg haben?

Hofmann: Ja klar, aber nur mit Einflussnahme. Es gibt immer Menschen, die Interesse haben, aber die haben gleichzeitig Interesse, hier mitzureden.

Macht Ihnen das Sorge?

Hofmann: Ich habe die Entwicklung bei Viktoria Berlin genau verfolgt. Wenn die Berichte über den chinesischen Investor stimmen, der 97 Millionen Euro investieren will, dann ist das nur ein Vorgeschmack. Ich weiß schon, dass das Konstrukt Leipzig nicht mehr zu verhindern ist, aber es darf sich nicht mehr wiederholen. All das, was in Uerdingen oder jetzt auch bei Viktoria Berlin passiert, gibt Anlass zur Sorge.

Apropos Leipzig: Haben Sie ihren Mitgliedsantrag schon gestellt?

Hofmann: Ich habe nach wie vor den Wunsch, dort Mitglied zu werden.

Was haben Sie denn bei der Europa-League-Auslosung gedacht, als RB Leipzig und RB Salzburg in derselben Gruppe auftauchten?

Hofmann: Mein erster Gedanke war, dies ist nicht gut für den Fußball. Ich hoffe auf ein sportliches Ende.

Ein großer Aufreger ist derzeit auch der Videobeweis. Sind Sie mit der jetzigen Regelung zufrieden?

Hofmann: Wir sind klare Befürworter des Videobeweises, nur die Regeln müssen einheitlich ausgelegt werden. Hier ist noch Luft nach oben.

Wie sehen Sie den Videobeweis?

Hofmann: Positiv. Wir haben ihn ja jahrelang gefordert. Aber wir sagen schon länger: Der Schiedsrichter auf dem Platz muss die Entscheidungshoheit haben und der Assistent in Köln sollte sich nur bei glasklaren Fehlentscheidungen einschalten. Bei faktischen Fehlentscheidungen wie Abseits soll der Schiedsrichter sich die Szenen nicht mehr selbst anschauen, sondern auf den Videoassistenten vertrauen, damit das Spiel nicht zu oft unterbrochen wird.

Die Nationalmannschaft ist bei der WM hauptsächlich daran gescheitert, dass es nicht gelungen ist, eine Einheit zu formen. Wie versucht der FCA, Grüppchenbildung zu vermeiden?

Hofmann: Stefan Reuter hat ja selbst in Mannschaften gespielt, die immer Stars hatten, die viel Sonne brauchen, und wenn dann einer mal im Weg steht, der Hausfrieden schief hängt. So etwas erkennt er sehr früh. Ich wundere mich immer wieder, wie er ganz kleine Signale zum Beispiel beim Abendessen vor einem Auswärtsspiel einordnet und sagt: Da könnte etwas entstehen.

Was sind das für Signale?

Hofmann: Wenn sich Gruppenbildung abzeichnet, wenn sich einer nicht mehr an Team-Themen beteiligt. Das merkt man gerade im Trainingslager, wenn man 24 Stunden zusammen ist. Stefan Reuter hat wirklich die Gabe, dass er das sehr früh mitbekommt.

Wie löst Stefan Reuter so ein Problem?

Hofmann: Zunächst einmal geht er in den Dialog und versucht, denjenigen wieder auf Spur zu bringen, indem er ihm ein gutes Gefühl vermittelt. Wenn er aber im Laufe der Zeit merkt, dass das besonders schwierig wird, dann sorgt er für zusätzliche sportliche Konkurrenz. Denn hier gewinnt das Team und nicht der Einzelne. So ein Mann im Verein lässt einen ruhig schlafen.

Das Interview führten Jürgen Marks und Robert Götz