Kommentar: Nach dem Datenskandal ist das soziale Netzwerk angeschlagen. Das Vertrauen in Gründer Zuckerberg ist dahin. Er steht einem Neuanfang nur noch im Weg.
Um Mark Zuckerberg zu verstehen, muss man ins Jahr 2003 zurückblicken. Der damals 18-jährige Computerfreak startete als Student der amerikanischen Harvard-Universität eine Website namens „facemash.com“. Die Seite zeigte Fotos von Studentinnen. Zuckerberg und eine rasch wachsende Zahl von Kommilitonen bewerteten die Attraktivität der Mädchen auf dem Portal nach dem Prinzip „Hot or not?“.
Das Problem war: Die Studentinnen hatten nie ihr Einverständnis für die Verwendung der Bilder gegeben. Zuckerberg hatte sich die Fotos illegal beschafft. Daher ließ die Uni-Leitung die Seite nach kurzer Zeit schließen, der skrupellose Teenager erhielt einen Rüffel.
Diese pubertäre Idee wurde dennoch zur Grundlage von Facebook, das ein Jahr später startete, heute von mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit genutzt wird und bis vor kurzem als eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt galt.
Zuckerberg: Die Gefahren unterschätzt
Dass der Siegeszug des sozialen Netzwerkes nun erst einmal unterbrochen ist, liegt auch daran, dass der Gründer es zwar verstanden hat, die geniale Idee, Menschen im Internet zu verbinden, mit einer großartigen Software zu perfektionieren. Doch Zuckerberg hat niemals die Gefahren realisiert, die so eine Mega-Plattform heraufbeschwört.
Denn anders als die Harvard-Studentinnen haben die Mitglieder zwar Zuckerberg ihre Fotos wie auch Vorlieben und Meinungen freiwillig offenbart. Doch sie konnten keinesfalls davon ausgehen, dass die Datensätze ohne große Anstrengung von Geschäftemachern geplündert werden.
Heute nennt der 33-Jährige es einen Riesenfehler, dass Facebook den Umfang seiner Verantwortung nicht frühzeitig erkannt hat und nicht genug getan habe, um den Missbrauch auf seiner Plattform zu verhindern. Nächste Woche wird er auch endlich auch im US-Kongress Rede und Antwort stehen.
Doch diese Bereitschaft wird ihm nicht mehr helfen. Als Vorstandschef hat Zuckerberg ausgespielt. Um Facebook zu retten, muss sich der Gründer opfern. Denn in der globalen Finanzwelt bedeutet es nichts, dass einer mal eine große Idee hatte.
Zuckerberg: Für viele Menschen ist Facebook wie ein Wohnzimmer
In diesem glasharten Geschäft zählt einzig die Frage: Haben die Investoren noch Vertrauen in Zuckerberg? Trauen die Anleger es ihm zu, ein Unternehmen, das in den vergangenen Monaten im Zuge von Fake-News-Vorwürfen und Datenskandalen mehr als 100 Milliarden Dollar an Wert verloren hat, wieder zu alter Stärke zu führen? Die Antwort heißt: Nein.
Zuckerberg hat jedwedes Vertrauen verspielt. Er ist ein lausiger Krisenmanager. Man nimmt ihm auch nicht ab, dass er sich ein Büßerhemd überstreift. Dass er es nun besser und transparenter machen wird. Er wird akzeptieren müssen, dass seine Zeit vorbei ist. Die Idee, die Welt auf einer Internet-Plattform zu vernetzen, war größer als ihr Schöpfer.
Nur ein unverbrauchter Kopf kann das Vertrauen der Investoren, der Mitglieder und der Werbepartner, von denen Facebook lebt, zurückgewinnen. Mit einem neuen Mann oder einer neuen Frau an der Spitze kann das Netzwerk einen Neuanfang schaffen.
Und der ist natürlich trotz der Zuckerberg-Fehler der Vergangenheit möglich. Facebook ist eine starke globale Marke. Und es ist ja keineswegs so, dass die Mitglieder in Scharen davonlaufen. Die Kampagne „#deletefacebook“ ist ein Rohrkrepierer. Viele Menschen haben es sich bei Facebook wie in ihrem Wohnzimmer gemütlich gemacht. Trotz aller Skandale. Das Netzwerk hat noch immer Zukunft. Nur Zuckerberg an der Spitze wird bald Vergangenheit sein.