Kommentar: In den Koalitionsverhandlungen 2018 spielen das Internet und die Zukunftstechnologien nur eine Mauerblümchen-Rolle. Warum das ein verhängnisvoller Fehler ist.
Die Koalitionsverhandlungen waren am Sonntagabend auf der Zielgeraden. Dominiert haben Themen wie Migration, Gesundheit, Wohnen und Rente. Meist wurde herumgedoktert. Arbeitsgruppen korrigierten Webfehler, justierten Politik neu. Entworfen wurde ein Reparaturbetrieb für die Maschine Deutschland, die nicht mehr rund läuft.
Doch ein zentrales Thema, bei dem bislang kaum etwas läuft, kam auch diesmal nicht über das Mauerblümchen-Schicksal hinaus: die Digitalisierung. Dabei geht es hier um alles, was dem letzten Aufgebot einer ausgezehrten Regierung gut zu Gesicht stünde: Zukunft, Mut, Aufbruch und Chancen.
Bislang hieß Digitalisierung in Deutschland, ein Hochgeschwindigkeitsinternet anzukündigen, komplizierte Förderprogramme aufzulegen und dann gelassen zuzuschauen, wie nichts passiert.
Digitalisierung: Die Lähmung bleibt erhalten
Was bis gestern durchsickerte, deutet darauf hin, dass uns diese Lähmung erhalten bleibt. Versprochen wird ein superschnelles Internet mit Gigabit-Geschwindigkeit bis 2025, dazu eine bürgerfreundliche Digitalisierung der Behörden. Zusätzlich soll die Bildung digitaler werden und der neue Mobilfunk-Standard 5G rasch aufgebaut werden. War das etwa alles?
Offenbar. Dabei hat die Politik doch scheinbar verstanden, dass die Digitalisierung die Basis für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist. Kanzlerin Angela Merkel sprach von einem „Top-Thema“. Unions-Fraktionschef Volker Kauder setzte noch einen drauf: „Mega-Thema“. Und SPD-Ministerin Brigitte Zypries erkannte gar eine „Revolution“.
Digitalisierung: Es verhandeln nur Leichtgewichte
Diese Superlative sind richtig gewählt. Denn schon morgen werden Datenströme und Algorithmen unser Leben stärker als bisher dominieren. Die Datenmenge in der Industrie wird exorbitant wachsen, wenn Maschinen digital miteinander kommunizieren. Künstliche Intelligenz wird sich verbreiten. In wenigen Jahren werden Autos autonom mit Daten aus dem Internet über unsere Straßen fahren. Es wird wie immer bei technischen Fortschritten sein: Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Und das gilt für die Arbeitswelt wie für unser soziales und gesellschaftliches Leben.
Man sollte meinen, angesichts dieser Herausforderung hätten die Parteien ihre Schwergewichte zu den Verhandlungen abgeordnet. Doch es reichte nur zu den Staatssekretären Helge Braun (CDU) und Dorothee Bär (CSU) sowie SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
Die Ergebnisse, die bislang bekannt wurden, sind auch kein Aufbruchssignal, sondern eher die klassische Ankündigungsroutine, mit der Deutschland seit Jahren digital umher rumpelt. Zur Erinnerung: Die letzte Große Koalition hatte 2013 eine Breitbandstrategie und ein flächendeckendes schnelles Internet mit 50 MBit versprochen.
Verantwortlich dafür war Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Das Versprechen wurde nicht eingehalten, gerade auf dem Land surfen viele Menschen noch immer im Schneckentempo. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland sowohl bei schnellen Glasfasernetzen hinterher wie bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Japan, Korea und andere Länder Asiens haben uns längst abgehängt. Selbst in Europa liegen wir hinter den Skandinaviern und sogar Portugal zurück.
In unserem Land fehlt weiter der Mut zu einer wuchtigen Aufholjagd. Das mag daran liegen, dass wir uns daran gewöhnt haben, in der analogen Welt häufig die Besten zu sein. Doch in der digitalen Welt der Zukunft zählt das nichts. Diese Regierung wird das nicht mehr ändern. Sie hat sich für Reparaturen statt zu einem Aufbruch entschieden. Hoffen wir auf die nächste.