Kommentar: Erst am 27. Februar wird über Diesel-Fahrverbote entschieden. Es gibt aber auch andere Lösungen für bessere Luft in den Städten. Die Auto-Hersteller sind in der Pflicht.
Die Vertagung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts am Donnerstag belegt vor allem eines: Bevor Richter Fahrverbote für mehr als zehn Millionen ältere Diesel in deutschen Städten ermöglichen, sind einige hochkomplexe rechtliche Hürden zu überwinden. Kein Mitglied des 7. Senats wollte sich dem Vorwurf aussetzen, eine so wichtige Entscheidung in Eile gefällt zu haben.
Welche Tragweite das Thema hat, zeigte ein Blick auf TV-Sender und Nachrichten-Portale. Sie verbreiteten gestern vor dem erwarteten Urteil eine apokalyptische Stimmung: Von „Countdown” war die Rede und von einem „Tag der Wahrheit”. Man hätte meinen können, die Richter würden über das Schicksal einer Nation von Diesel-Fahrern entscheiden, die jammernd vor ihren polierten Motorhauben auf das Todesurteil für ihren Liebsten warteten.
Diesel-Fahrverbote: Die Wahrscheinlichkeit bleibt hoch
Und in der Tat bleibt die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Fahrverbote für ältere Diesel in Städten bald möglich sind, wenn Stickoxid-Grenzwerte überschritten werden. Doch das heißt nicht, dass sie dann tatsächlich verhängt werden. Einfahrstops sind zwar effektiv, können aber nur die Ultima Ratio sein.
Denn es gibt noch andere Hebel, mit denen die Luftqualität verbessert werden kann. Kurzfristigen Erfolg, den Stickoxidausstoß älterer Selbstzünder auf das geringe Level der neuen, sauberen Euro-6-Diesel zu bringen, verspricht vor allem eine Hardware-Umrüstung. Dabei gibt es nur ein Problem: Die Kosten liegen bei mehreren tausend Euro. Es darf nicht sein, dass Autobesitzer diesen Preis bezahlen müssen.
Diesel-Fahrverbote: Auto-Fahrer sind die Betrogenen
Denn sie sind ohnehin die Betrogenen. Sie haben sich einen Selbstzünder im guten Glauben gekauft, er verbrauche weniger Kraftstoff und schone die Umwelt. Jetzt droht ihnen ein Wertverlust. Nein, in der Verantwortung für das Schlamassel stehen die Autohersteller. Es ist an der Zeit, dass die Regierung die Industrie härter anpackt und zur Kasse bittet.
Denn Fakt ist, dass vor allem deutsche Hersteller Motoren auf den Markt brachten, die schmutziger sind als versprochen. Nach diesen Schummeleien behaupteten sie fälschlich, dass eine Nachrüstung unmöglich ist. Das zielte nur darauf ab, neue Autos zu verkaufen, statt alte Kisten zu ertüchtigen.
Über Jahrzehnte sind die Automanager von der Politik wie Fürsten hofiert worden, weil sie in Deutschland etwa 800 000 Arbeitsplätze sichern. Nach allem, was sie angerichtet haben, wäre es nun ihre Pflicht, vom Thron zu steigen und den Misthaufen wegzuräumen. Das heißt: Umrüstung älterer Diesel auf Werkskosten. Es geht der Industrie nicht so schlecht, dass sie sich das nicht leisten könnte.
Diesel-Fahrverbote: Auch die Politik bekleckerte sich nicht mit Ruhm
Auch die Politik hat sich in der causa nicht mit Ruhm bekleckert. Zunächst hat die Bundesregierung EU-Grenzwerte für den Autoverkehr akzeptiert, die übertrieben streng sind. Denn es ist überhaupt nicht bewiesen, dass 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Straßenluft im Jahresmittel tatsächlich gesundheitsschädlich sind. An Arbeitsplätzen sind viel höhere Werte zulässig. Wer soll das verstehen?
Dann tat Berlin zu wenig, um die Stadtluft zu verbessern. Die Förderung von Elektro-Autos war ein Rohrkrepierer. Und Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verbiss sich vor allem in seine umstrittene Autobahn-Maut.
Stattdessen hätte er die Kommunen finanziell dabei unterstützen müssen, den Auto-Anteil an der Mobilität zu reduzieren. Denn wenn die Großstädte früher und engagierter auf den öffentlichen Nahverkehr, auf Carsharing-Konzepte und mehr Fahrradfreundlichkeit gesetzt hätten, dann wäre ihre Luftqualität heute besser. Und Verbote wären kein Thema.