Die Debatte nach den Gewaltausbrüchen im Osten ist mehr als eine Abwehrschlacht zur Imagerettung der neuen Bundesländer. Es geht auch darum, dass der Westen das Thema nicht einfach so verdrängt
Ostdeutsche Politiker können so viele Nebelkerzen werfen, wie sie wollen. Selbstverständlich ist die Bereitschaft zur fremdenfeindlichen Radikalisierung in den neuen Bundesländern ausgeprägter als in Bayern oder Hessen.
Fremdenhass im Osten: Die ostdeutsche Verteidigungsstrategie ist zwar verständlich, löst aber die tiefgreifenden Probleme nicht
Die Aussage des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz ist durch alle bekannten Umfragen belegt. Fast 50 Prozent aller rassistischen Gewalttaten in Deutschland wurden vergangenes Jahr zwischen Rostock und Dresden verübt. Obwohl dort nicht einmal zwanzig Prozent der Bundesbürger leben. Und auch rechtsextremistische Parteien wie vor allem die NPD finden im Osten anteilig deutlich mehr Wähler als in den alten Bundesländern.
Warum hat sich also diese leidenschaftliche Abwehrdebatte entzündet, nachdem ein westdeutscher Innenminister die Fakten einfach mal zusammengefasst hat? Im Kern geht es den ostdeutschen Politikern darum, das angeschlagene Image ihrer Bundesländer zu retten. Sachsens Ministerpräsident Tillich warnt vor einer Stigmatisierung des Ostens, andere Länderchefs verwahren sich dagegen, an den Pranger gestellt zu werden.
Diese Verteidigungsstrategie ist zwar verständlich, aber zur Lösung des tiefgreifenden Problems trägt sie nicht bei. Besser wäre es, sich intensiv mit den Hintergründen dieser ostdeutschen Fehlentwicklung zu befassen.
Fremdenhass im Osten: 40 Jahre Unfreiheit, Lügen, Planwirtschaft und Staatssicherheit haben hässliche Spuren in mancher ostdeutschen DNA hinterlassen.
Da ist zum einen die fehlende Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen während der 40-jährigen DDR-Geschichte. Die kommunistischen Anführer von Walter Ulbricht bis Erich Honecker zeigten, wenn es um die Wurzeln des Nationalsozialismus ging, immer mit dem Finger auf den kapitalistischen und aus ihrer Sicht grundbösen Westen. Den eigenen Staat verklärten sie einfach als antifaschistisch. Punkt. Debatten über Schuld und Verantwortung gab es nicht.
Auch haben die Bürger der DDR anders als im Westen nicht gelernt, wie es ist, mit vielen Menschen fremder Kulturen zusammenzuleben. Während in der Bundesrepublik schon vor dem Mauerfall Millionen Migranten lebten, zählte die DDR nur einige zehntausend „Vertragsarbeiter“, vorwiegend aus den sozialistischen Bruderstaaten Vietnam und Mosambik.
Die sozialen Probleme im Ostdeutschland nach der Wende und die Angst vor dem Absturz sind weiterer Nährboden für rechtes Gedankengut, wie zuletzt das Aufflammen der Pegida belegt hat.
40 Jahre Unfreiheit, Lügen, Planwirtschaft und Staatssicherheit haben hässliche Spuren in mancher ostdeutschen DNA hinterlassen. Das ist zwar nicht neu. Doch ist es wichtig, daran zu erinnern, wenn die Fremdenfeindlichkeit im Osten mal wieder hochkocht. Und das tut sie in regelmäßigen Abständen. Die Erinnerungen an die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda Anfang der neunziger Jahre sind noch lebendig.
Und dennoch geht es in der Debatte auch darum, das unangenehme Thema Fremdenfeindlichkeit nicht einfach im Osten abzuladen und im Westen zu verdrängen. Auch bei uns brennen aktuell Unterkünfte für Asylbewerber. Auch die Städtenamen Mölln (Schleswig-Holstein) und Solingen (NRW) stehen für Gewalttaten gegen Ausländer Anfang der neunziger Jahre.
Und auch zwischen Bayern und der Nordsee wächst angesichts explodierender Asylbewerberzahlen der Widerstand gegen den von der Politik schlecht organisierten Flüchtlingsstrom. Niemand weiß, wie sich die Stimmung bei uns noch verdüstern wird, wenn unser liberales Asylrecht weiter durch Armutsflüchtlinge überstrapaziert wird und wenn Europa sich weiter unfähig zeigt, die Lasten des Flüchtlingsstroms gerechter zu verteilen.