Wachtmeister und Marks

Professor Wachtmeister: Der Diesel hat eine Zukunft

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Interview: Diesel-Papst Georg Wachtmeister forscht an der TU München. Für ihn ist nicht der Dieselmotor das Problem – sondern der Diesel-Kraftstoff. Deshalb entwickelt er synthetische OME-Kraftstoffe, die Null-Emisionen ermöglichen sollen.

Herr Professor Wachtmeister, Sie forschen als Professor für Verbrennungskraftmaschinen an der TU München. Haben denn Verbrennungsmotoren aufgrund der Abgas-Probleme noch eine Zukunft?

Georg Wachtmeister: Ja. Sie haben sogar eine sehr gute Zukunft. Derzeit wird in der Diskussion viel subjektive Meinung vertreten. Der Verbrennungsmotor, gerade der Diesel, ist nicht so schlecht, wie er dargestellt wird. Er ist beschädigt worden durch die Manipulation der Hersteller. Doch insgesamt kann man mit dem Verbrennungsmotor Niedrigstemissionen erreichen.

Es ist also Schindluder getrieben worden mit einem guten Motor, den man nun innovativ weiterentwickeln müsste?

Wachtmeister: Natürlich war es Schindluder, unerlaubte Abschalteinrichtungen einzubauen. Aber inzwischen haben alle Hersteller ihre Hausaufgaben gemacht. Die neue Dieselmotoren-Generation ist gut und umweltfreundlich. Ab der Euro-Norm 6d-Temp kann man bedenkenlos ein Dieselauto kaufen. Alle vorherigen Modelle sind für die Luftreinheit aber problematisch.

Wie sauber kann ein innovativer Dieselmotor denn überhaupt werden?

Wachtmeister: Wenn man den richtigen Kraftstoff verwendet, und an dem arbeiten wir intensiv, dann schaffen wir bald fast Null-Emissionen. Nicht der Dieselmotor ist das Problem, sondern der Kraftstoff.

Was ist denn der richtige Kraftstoff?

Wachtmeister: Der ist synthetisch. Wir arbeiten bei der TU München seit zehn Jahren an Kraftstoffen, die den Sauerstoff selbst mitbringen – Oxygenaten. Zum Beispiel OME (Oxymethylenether) verbrennt rußfrei und ist damit CO2-neutral und es entstehen kaum noch Partikel.

Wie bitte? Autos fahren mit synthetischen Kraftstoffen und Ölprodukte brauchen wir bald nicht mehr?

Wachtmeister: Das ist richtig. Auf dem Clean Air Tech Day in Augsburg haben wir diese Woche ja gezeigt, dass wir ohne Abgasnachbehandlung Emissionswerte – und zwar Partikel und Stickoxide – auf dem Niveau der Umgebungsluft erreichen können.

Was bremst Sie denn? Warum ersetzen wir denn nicht einfach fossile Brennstoffe wie Benzin und Diesel durch OME?

Wachtmeister: Das ist leider nicht so einfach. Bislang haben wir OME nur literweise im Labor hergestellt. Jetzt wäre die Chemie-Industrie am Zug, den Stoff in großen Mengen herzustellen. In China wird das schon gemacht, allerdings mit Energie aus Kohlekraftwerken. Das geht natürlich nicht, weil die Umweltbilanz schlecht ist. OME müsste mit regenerativer Energie hergestellt werden.

Haben wir denn genug regenerativen Strom, um OME in einer Massenfertigung herzustellen?

Wachtmeister: Leider nein. Den haben wir derzeit nicht. Daran wird meiner Meinung nach auch die Elektromobilität scheitern. Kein E-Auto fährt derzeit CO2-frei, weil bei der Batterieherstellung mehr Kohlendioxid anfällt als bei einem neuen Dieselmotor, der 100.000 Kilometer fährt.

Was fehlt denn zum Durchbruch dieser offenbar sauberen OME-Kraftstoffe?

Wachtmeister: Das Problem ist die Verfügbarkeit. Meine Vision ist es, das OME in Regionen der Erde herzustellen, in denen Sonne und Wind reichlich vorhanden sind und den Kraftstoff dann auf vorhandenen Transportwegen wie Pipelines nach Europa zu schaffen.

Wenn alles gut laufen würde, wann könnten die ersten Serien-Autos mit OME auf Europas Straßen fahren.

Wachtmeister: Der Wunsch wäre, in fünf Jahren erste Testautos zu haben.

Welcher Autohersteller hätte dann Interesse an einer Zusammenarbeit?

Wachtmeister: Grundsätzlich sind alle deutschen Hersteller interessiert. Sie bleiben aber noch im Beobachterstatus, weil derzeit die Diskussion in Richtung Elektromobilität läuft. Und unsere Forschungen sind etwas grundsätzlich Neues. Das muss wachsen.

Was ist denn Ihre Meinung zur Elektromobilität?

Wachtmeister: So wie es derzeit läuft, mit einem Streben nach großen Reichweiten und zentralen Ladestationen, wird das nichts. Man müsste das anders angehen. Wir haben jetzt und in Zukunft nicht genug regenerativen Strom. Wir haben einen hohen Anteil von Kohle- und noch von Atomenergie, die wir abschaffen wollen. Das wird schwierig sein, dies durch Wind- und Solarenergie zu ersetzen. Wer großflächig in die E-Mobilität einsteigen möchte, der muss wieder auf die Kernenergie setzen, sonst funktioniert es nicht.

Sind Sie etwa für neue Atomkraftwerke?

Wachtmeister: Nein, ich will das nicht. Aber man kann leicht berechnen, warum massenhafte E-Mobilität mit unserem Energie-Mix nicht funktioniert. Das Problem erzeugt nicht die Ladestation, sondern das Kabel zur Ladestation. Wir haben das mal für den Münchner Stadtteil Neu-Perlach ausgerechnet. Wenn dort alle Autos elektrisch fahren sollten, dann braucht man Ladekabel in der Stärke eines männlichen Oberschenkels, mit der gesamten Elektrosmog-Problematik. Und wenn nur jeder fünfte Neu-Perlacher sein Fahrzeug aufladen will, brauchen wir dafür 51 Megawatt Strom täglich. Wie soll das ohne eigenes Kraftwerk funktionieren?

Was ist die Alternative?

Wachtmeister: Das Szenario muss sich ändern. Hersteller setzen heute auf große Reichweiten und bauen sich mit den Batteriekapazitäten große Hürden auf. Besser wäre es, kleinere Batterien dezentral daheim mit Photovoltaik-Strom zu laden. So könnte ein E-Auto mit einer Reichweite von 100 Kilometern als Zweitfahrzeug Sinn machen.

Wie sehen Sie denn die Chance für Wasserstoffantriebe?

Wachtmeister: Ich glaube, dass der Wasserstoff kommen wird. Aber das wird dauern. Deswegen brauchen wir die OME-Kraftstoffe als Brückentechnologie. Es wird langfristig einen Wettbewerb zwischen der Brennstoffzelle und dem Wasserstoff-Motor geben.

Großstädte arbeiten derzeit an Ideen für die Mobilität der Zukunft. Es geht um Fahrräder, Carsharing, ÖPNV und Elektromobilität. Verbrennungsmotoren spielen nur noch eine untergeordnete Rolle.

Wachtmeister: Diese Konzepte sind unbedingt notwendig. Fahrräder und ÖPNV sind ein gewaltiger Hebel. Hier bei uns in München steht man mit dem Auto fast nur noch. Auch die Busse stehen im Stau. Das innerstädtische Verkehrssystem ist durch Autos überlastet. Es muss sich gewaltig was tun.

Jetzt bin ich mal gespannt.

Wachtmeister: Wir brauchen weniger Autos auf den Straßen. Es nützt auch nichts, neue Tiefgaragen zu bauen. Das würde zwar die Parksituation entlasten, aber der Verkehr wird dadurch nicht weniger. Das Wichtigste ist der Ausbau eines attraktiven ÖPNV für Pendler, die von Außen kommen – mit Park + Ride-Parkplätzen am Stadtrand und attraktiven günstigen ÖPNV-Verbindungen.

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