Kommentar: Donald Trump hat es vorgemacht. Der US-Präsident hat Twitter und Facebook für seine Zwecke missbraucht. Bei uns droht Ähnliches. Diese Zeitenwende ist gefährlich.
Medien hatten schon immer eine große Bedeutung für die Demokratie. Sie haben politische Inhalte vermittelt, Stärken und Schwächen von Kandidaten dargestellt. Egal ob Radio, Fernsehen oder Zeitungen – Medien sahen und sehen es als ihre Aufgabe, die Mächtigen zu kontrollieren und Wählern eine faire Grundlage für ihre Entscheidung zu geben.
Spätestens mit der US-Wahl hat dieses Kräfteverhältnis einen Schlag bekommen. Donald Trump führte Krieg gegen die traditionellen Medien. Er setzte voll auf digitale Netzwerke – und gewann. Denn er verstand es wie kein Politiker vor ihm, Facebook und Twitter für seine Zwecke zu nutzen. Mit dieser Revolution könnte eine gefährliche Zeitenwende begonnen haben.
Twitter und Facebook: Der Werkzeugkasten schmutziger Tricks
Denn die digitale Welt gibt Politikern einen bislang unbekannten Werkzeugkasten schmutziger Tricks an die Hand, die Wahlen entscheiden können. Trump hat virtuos auf dieser Klaviatur gespielt. Er hat von Fake News (bewusste Falschmeldungen) profitiert und mit Social Bots (Roboter-Programme) die Stimmung manipuliert. Wer mit solchen Machenschaften zum mächtigsten Mann der Welt aufsteigt, der wird Nachahmer finden. Auch im deutschen Super-Wahljahr 2017, in dem Nordrhein-Westfalens Landtag und der Bundestag gewählt werden.
Was ist das Problem an diesen digitalen Wahlkampf-Tricks? Fake News tauchen ungeprüft in den sozialen Netzwerken auf. Mal sind es üble Gerüchte, mal bösartige Falschmeldungen mit getürkten Absendern. Im US-Wahlkampf war es die Lügen-Nachricht, dass Hillary Clinton einen Kinderporno-Ring steuert. In Deutschland wurde der Grünen Renate Künast das erfundene Zitat untergejubelt, man müsse einem Asylbewerber, nachdem er eine Studentin vergewaltigt hatte, vor allem helfen.
Bevor die Lüge dementiert werden kann, hat sie sich bereits tausendfach verbreitet. Es ist wie mit dem verunglückten Nacktfoto eines Teenagers. Was einmal gepostet wird, bekommt keiner mehr gelöscht. Und viele wollen ja auch glauben, was sie da lesen. Und damit sind wir beim nächsten Problem: der Filterblase.
Twitter und Facebook: Trump hat es verstanden, die Filterblase zu missbrauchen
Durch die Algorithmen der Netzwerke bekommen Nutzer nur noch angezeigt, was sie interessiert oder welche Meinung sie ohnehin vertreten. Andere Ansichten werden herausgefiltert. Statt den Wettstreit der Argumente zu verfolgen, wird die eigene Meinung verstärkt. Wenn Menschen nur noch in ihrer Filterblase leben, fehlt der Austausch mit Andersdenkenden. Das verhärtet die Fronten.
Trump hat verstanden, wie man die Filterblase missbraucht. Er hat seine Wähler aufgestachelt und mobilisiert. Er musste nicht fürchten, dass seine Unterstützer sich in unabhängigen Medien informieren, die er als Lügenpresse diskreditierte.
Das Schlimme ist: Die rechtspopulistische AfD hat bereits angekündigt, Social Bots einzusetzen. Andere Parteien fordern ein Verbot. Doch alle rüsten den digitalen Werkzeugkasten selbst auf. Immer mehr Politiker aller Parteien twittern sich bereits die Finger Wund – oder lassen twittern.
Niemand hat bislang eine Idee, wie die drohende Spirale der digitalen Tricks gestoppt werden kann. Verbote von Social Bots werden so wenig helfen wie eine Selbstverpflichtung von Facebook, Fake News künftig zu bekämpfen. Das Netzwerk hat täglich weltweit 1,8 Milliarden Nutzer. Wer soll diesen Flohzirkus kontrollieren?
Natürlich. Im Wahlkampf wurde schon immer gelogen und getrickst. Aber die sozialen Medien sind ein gefährlicher Brandbeschleuniger. Vielleicht werden wir uns einmal nach den vergleichsweise fairen Wahlkämpfen von früher zurücksehnen.