Es ging nur um ein Rock-Konzert. Die Band Aerosmith trat in München auf. Doch plötzlich ging es um mehr. Das Management verlangte zunächst, dass alle Reporter ihre Musikkritiken und Fotos vor der Veröffentlichung einzureichen haben. Das bedeutete nicht mehr und nicht weniger als die Androhung von Zensur. Die Reporter begehrten auf, das Management gab klein bei.
Dieser Fall, über den wir am Montag berichteten, ist nur ein weiteres Glied in der Kette unerträglicher Attacken gegen die Unabhängigkeit der Medien auch in Deutschland. Wenn nun selbst Musikmanager versuchen, eine nicht genehme Berichterstattung in Text und Bild zu verhindern, ist ein neuer Tiefpunkt für die Pressefreiheit hierzulande erreicht.
Pressefreiheit: Angriffe kommen aus verschiedenen Richtungen
Dabei kommen die Angriffe gegen den unabhängigen Journalismus aus verschiedenen Richtungen. Da sind die Politiker, die Interviews geben. Anschließend bitten sie um die Autorisierung des Textes. Das ist in Ordnung, um Missverständnissen vorzubeugen. Doch nicht selten erhält die Redaktion das Interview gespickt mit zahlreichen Ergänzungen und Umformulierungen zurück. Veröffentlicht werden soll ein Gespräch, das so nicht geführt wurde. Redaktionen sind gut beraten, so etwas abzulehnen.
Oder blicken wir in die Welt des Profi-Fußballs. Tage, an denen Reporter am Trainingsplatz von Spielern Neuigkeiten erfuhren, sind rar geworden. Die Presseabteilungen der Vereine steuern, welches Medium mit welchem Spieler spricht. Und wie selbstverständlich müssen Spieler-Zitate vor der Veröffentlichung freigegeben werden. Was der Kicker aus Vereinsräson nicht sagen darf, wird gestrichen. Auch das ist eine Form der Zensur. Die TV-Übertragungen aus den Bundesliga-Arenen steuert die Deutsche Fußball-Liga (DFL) inzwischen gleich selbst. Gesendet werden nur genehme Bilder – selten Fan-Randale oder -Proteste. Die Vereinsführung von TSV 1860 München sperrte vor ein paar Monaten unliebsame Journalisten sogar von einer Pressekonferenz aus.
Pressefreiheit: Wir haben es mit wachsender Dreistigkeit zu tun
Leider gelingt der Versuch, Medien zu kontrollieren, zu häufig. Dabei ist dies ein Sargnagel für die freie, unabhängige Berichterstattung. Dass die Bürger ein im Grundgesetz garantiertes Recht auf eine freie Presse haben, gerät angesichts wachsender Dreistigkeit immer mehr in den Hintergrund.
Auf dem Vormarsch ist dagegen Public Relations. Dutzende Millionen Deutsche verfolgen allein in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram die selbstverliebten Eigenbeiträge von Sportklubs und Unterhaltungsstars. Dahinter steckt eine Maschinerie von Agenturen. Sie berichten, ob Fußball-Held Messi neue Schuhe trägt oder die Sängerin Helene Fischer frohe Ostern wünscht. Man sendet vor Millionenpublikum Beiträge über sich selbst. Die Zukunft der Medien darf so nicht aussehen.
Niemand in Deutschland kann wollen, dass Journalisten gegängelt werden und die Berichterstattung auf ein PR-Niveau sinkt. Deshalb ist es wichtig, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen. Deshalb dürfen sich Medien keine Aushöhlung ihrer Rechte gefallen lassen.
Zum Glück sind wir weit entfernt von US-Verhältnissen. Geschweige denn von der Medien-Unfreiheit in der Türkei. Der US-Präsident nennt die Medien „Feinde des amerikanischen Volkes”. Und wenn Donald Trump eine Nachricht nicht gefällt, verunglimpft er sie als „Fake News”. Es gibt aber auch eine gute Nachricht aus Amerika: Seriöse Medien wie die Washington Post und die New York Times erfahren seit der Trump-Wahl viel Zuspruch und eine wachsende Leserzahl. Der aufgeklärte Bürger hat noch immer ein untrügliches Gespür dafür, die Richtigen zu unterstützen.