In einem Land, in dem die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, muss es erlaubt sein, die Führungen anderer Staaten zu kritisieren.
Das gilt für alle. Auch für Israel. Was sich derzeit aber auf manchen deutschen Straßen und Plätzen abspielt, hat weder mit Meinungsfreiheit noch mit Versammlungsfreiheit viel zu tun. Mit zum Teil unbändiger Wut stoßen Demonstranten beleidigende Parolen gegen den Staat Israel und Juden im Allgemeinen aus.
Die Schlagrichtung der Protestierenden, die sich im Gaza-Konflikt auf die Seite der radikalen palästinensischen Hamas schlagen, kann man nur antisemitisch nennen. Wer „Kindermörder Israel“ ruft, der diffamiert ein ganzes Volk. Das lässt einen erschaudern: Denn eigentlich ist es unvorstellbar, dass 69 Jahre nach dem Ende des Holocausts in deutschen Städten wieder antijüdische Bewegungen wachsen.
Anti-Semitismus geht Deutsche immer etwas an
Natürlich sind die aktuellen antisemitischen Parolenschreier vor allem junge muslimische Migranten. Unter ihnen sind zahlreiche Türken, aufgestachelt durch nationalistische türkische Zeitungen, TV-Sender wie Al-Dschasira und öffentliche Auftritte von Premier Recep Tayyip Erdogan, der mit seinem Israel-Hitler-Vergleich zusätzliches Öl ins Feuer kippte.
Wer nun aber meint, das Problem dadurch zu verharmlosen, dass er mit dem Finger auf den importierten muslimisch-jüdischen Konflikt zeigt, liegt falsch. Denn zum einen reicht die Sympathie für die Verunglimpfungen bis in die Mitte der deutschstämmigen Gesellschaft. Zum anderen dürfen wir als Einwanderungsland, das sich um die Integration von Zuwanderern müht, keinen Konflikt zwischen Nationalitäten oder Religionen in irgendwelchen Schubladen einschließen und so tun, als ob es uns nichts angeht.
Der Antisemitismus geht uns Deutsche immer etwas an. In der historischen Verantwortung für den Holocaust haben wir eine Pflicht, judenfeindliche Tendenzen in unserer Gesellschaft – und darüber hinaus – zu bekämpfen. Egal ob sie mit Springerstiefeln aus der völkischen rechten Ecke trampeln, in linken Salons gepflegt werden oder aus radikalen muslimischen Parallelgesellschaften sickern.
Dieser nun aktuell zutage tretende Antisemitismus ist ein Beispiel für die misslungene Integration. Trotz aller Anstrengungen – von den Schulen bis zu den Medien – ist es offenbar nicht gelungen, zugewanderten Muslimen die komplizierten Hintergründe des Nahost-Konflikts und die besondere Verantwortung Deutschlands für den Staat Israel zu vermitteln. Diejenigen, die auf deutschen Plätzen Hassparolen skandieren, haben es jedenfalls nicht verstanden oder gar nicht erst zugehört.
Die These von Ex-Bundespräsident Christian Wulff „Der Islam gehört zu Deutschland“ hat polarisiert. Sagen wollte er damit, dass Muslime als Teil der deutschen Gesellschaft willkommen sind. In diesem Sinne hatte er recht. Ein radikaler, antisemitisch geprägter Islam kann in Deutschland aber nicht willkommen sein.
Deshalb naht der Zeitpunkt für die Politik, ein starkes Zeichen zu setzen. Präsident Joachim Gauck hat die Deutschen zwar aufgefordert, ihre Stimme gegen den Antisemitismus zu erheben. Kanzlerin Angela Merkel stieß ins gleiche Horn. Sollte die Hasswelle aber nicht rasch abebben, sind klarere Signale und ein persönliches Auftreten bei Veranstaltungen gegen die neue Judenfeindlichkeit unabdingbar.
Politik und Gesellschaft in Deutschland müssen sich wehrhaft zeigen gegen alle radikalen Tendenzen. Und vor allem, wenn dem Staat Israel, wo die Nachfahren der Holocaust-Opfer leben, das Existenzrecht abgesprochen wird.