Der Ingolstädter Autobauer soll mit „Lenkwinkelsensoren“ getrickst haben. US-Umweltbehörde und Kraftfahrt-Bundesamt prüfen. Auch Audi-Chef Stadler muss aussagen.
Ingolstadt Audi-Chef Rupert Stadler steht eine unangenehme Zeit ins Haus. Offenbar hat der Ingolstädter Autobauer, der zum VW-Konzern gehört, in der Abgas-Affäre raffinierter getrickst, als bisher bekannt war. Mehrere Zeitungen berichteten am Wochenende von dubiosen „Warmlauf-Programmen“, die in den USA und Europa auf dem Prüfstand eine Abgasreinigung simulierten, die im Straßenverkehr nicht annähernd erreicht wurde.
Audi: Betroffen sind mehrere Audi-Modelle: vom A5 bis zum Q5
Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung ist die Schummel-Software bei Diesel- und Benzin-Modellen bei bestimmten Automatikgetrieben in den USA und Europa eingesetzt worden. Betroffen sind unterschiedliche Modelle wie der A5, A6, der A8 und der Q5. Laut der Bild am Sonntag (BamS) funktioniert die Software mit einem Trick: Auf dem Prüfstand laufe der Motor in einem „Warm-up“-Modus mit intensiver Abgasreinigung. Im Straßenbetrieb springe das Getriebe in ein anderes Programm.
Besonders raffiniert soll die Technologie sein, mit der der Motor die jeweilige Fahrsituation erkennt: Dabei handle es sich um einen „Lenkwinkelsensor“. Drehe der Fahrer das Steuer um mehr als 15 Prozent, laufe das weniger saubere Straßenprogramm. Offenbar hat Audi diese überlegene Technologie aber im Mai 2016 vom Markt genommen. Seitdem wird die Software laut der Zeitung nicht mehr eingesetzt.
Das Kraftfahrt-Bundesamt will nun eine Sonderprüfung bei mehreren Audi-Modellen starten. Im Fokus der neuen Untersuchungen steht nicht wie im VW-Skandal das Stickoxid. Bei Audi geht es nun vor allem um das klimaschädliche Kohlendioxid.
Auch in den USA gerät Audi wegen der „Warmlauf-Programme“ zunehmend unter Druck. In der kommenden Woche müssen laut BamS-Recherchen Audi-Ingenieure bei der US-Umweltbehörde EPA und dem amerikanischen Justizministerium aussagen. Zuvor hatte eine Anwaltskanzlei eine Sammelklage gegen Audi eingereicht. Ein Sprecher von Audi in Ingolstadt wollte sich am Sonntag nicht zu den Entwicklungen in den USA äußern, da es sich um „laufende Gespräche“ handle. Der Sprecher bestätigte jedoch, dass Audi gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt als europäischer Genehmigungsbehörde die technischen Informationen zur Verfügung gestellt habe.
In den Vereinigten Staaten steht Audi wegen mehr als 80 000 Dieselautos mit illegaler Abgastechnik ohnehin schon unter Druck. Die Fahrzeuge sind mit 3,0-Liter-Motoren unterwegs, die laut US-Behörden mit einer speziellen Software zur Manipulation von Stickoxidwerten ausgestattet sind. Sollte keine Möglichkeit gefunden werden, diese nach US-Recht verbotenen Programme zu beseitigen, drohen teure Rückkäufe der betroffenen Fahrzeuge. Es geht um teure Wagen wie Porsche Cayenne, VW Touareg und Audi-Luxusmodelle.
Unklar blieb am Wochenende, ob Audi-Chef Rupert Stadler tatsächlich unter Druck gerät. Der Manager muss sich in dieser Woche intern zu den Vorwürfen äußern. Die Anwälte der Kanzlei Jones Day, die im Auftrag des Volkswagen-Aufsichtsrates ermitteln, haben Stadler zum Gespräch gebeten.
Volkswagen-Chef Matthias Müller soll nach Informationen der BamS sehr wütend geworden sein, als er vergangene Woche von den neuen Manipulationsvorwürfen erfuhr. In der Vorstandssitzung habe er von Stadler verlangt, Audi müsse nun alles offenlegen. Zudem beauftrage Müller die Konzernrevision, den Fall zu untersuchen. Rupert Stadler arbeitet seit 2003 im Audi-Vorstand. Seit 2007 ist er Vorstandsvorsitzender. Er beteuert, dass er von den Manipulationen nichts gewusst habe. Am Freitagabend hatte der Volkswagen-Konzern eine eventuelle Ablösung dementiert.