Mobilität ohne Auto: Langsam wird mir die Verkehrswende suspekt. Greta Thunberg erreicht per Segeljacht Amerika, Söder testet eScooter und ich fahre mit dem Opel-Mini Karl zum Golfplatz.
Ich habe das Gefühl, dass wir Deutschen den Kampf gegen den Klimawandel sehr gründlich angehen. Das ist gut so. Es ist wichtig, die globale Erderwärmung durch Reduzierung fossiler Brennstoffe zu begrenzen. Einer muss voran gehen. Das sind natürlich wir. Kaum ein Land diskutiert so engagiert die Mobilitätswende und den Einsatz emissionsarmer Fahrzeuge.
Auch ich bin dabei. Bis Ende Juli fuhr ich einen großen Diesel-SUV der Marke Alfa Romeo. Seit Anfang August teste ich – wie berichtet – in Augsburg das Carsharing der Stadtwerke, fahre mit dem ICE nach München zur Arbeit und in unser schönen Altstadt rumple ich mit dem Fahrrad so leidenschaftlich über das Kopfsteinpflaster, dass mir die Vibrationen schon mal Schrauben lockern. Natürlich nur am Fahrrad.
Öko-Stasi: Wer überwacht ökologische Korrektheit?
Doch so langsam wachsen in mir Zweifel, ob wir nicht zu hysterisch mit dem Thema umgehen. Ich weiß, dass die Segel-Reise von Greta Thunberg nach New York vor allem symbolischen Wert hat. Aber als mich eine Push-Nachricht auf dem Smartphone erreichte, die mich über die Ankunft des Schwedenmädchens in Big Apple informierte, fand ich das übertrieben.
Und als ich wenige Tage zuvor in meinem Facebook-Nachrichtenstream ein Video von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sah, auf dem er mit einem eScooter durch den Hofgarten fuhr, musste ich lachen. Söders Resumee: „Keine schlechte Idee, aber ich bleibe beim Rad. Da hat man doch mehr Bewegung.“ Da hat Söder recht.
Und wenn die Bundesregierung dem Vorschlag des grünen Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar folgen würde, dann bekämen alle, die mit dem Rad zur Arbeit pendeln, einen zusätzlichen Urlaubstag. Und falls jemand mit dem Fahrrad in den Urlaub fährt, könnte es ja noch einen geben – und radelnde Fleischesser kriegen dann wieder einen abgezogen? Was für ein Schwachsinn.
Soll denn künftig eine Art Öko-Stasi die Umweltkorrektheit in Deutschland überwachen? Oder eine Gesundheitspolizei? Mir wird das langsam suspekt. Wir sind nahe an einer Nachhaltigkeits-Hysterie, in der jeder, der nicht korrekt ökologisch lebt, fürchten muss, mit veganen Muffins gesteinigt zu werden. Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken sind ja schon an der Tagesordnung.
Der Zorn der Öko-Stasi trifft auch Fleischesser
Sie treffen Dieselfahrer, Fleischesser oder Flugzeugtouristen. Die werden als Weltzerstörer oder Luftverpester gebrandmarkt. Kürzlich reagierte bei Facebook jemand so zornig auf meine sicher fehlerhaften Bemühungen um mobile Korrektheit, dass ich tatsächlich irritiert war. Das Wut-Zitat: „Aber Hauptsache der gute deutsche Bürger verpestet die Luft hierzulande nicht und kommt unverschwitzt zur Arbeit. Und ich frage mich, warum überreisse ich das mit meinem kleinen Cellistenhirn und die großen Manager, Politiker usw nicht? 😂🤔.“ Was hatte ich eigentlich verbrochen? Ich fand eScooter gut.
Trotzdem bin ich in meinem autofreien August mehr oder weniger schwitzend viel geradelt. Und es hat Spaß gemacht. Mal eben in den Biergarten der Kulperhütte, rasch zum FCA-Spiel in die WWK-Arena nach Göggingen-Süd. Und natürlich jeden Morgen zum Augsburger Hauptbahnhof, wo mich der sympathische Zweiradenthusiast Thomas Lis überzeugte, die Fahrradgarage der Radstation für nur sieben Euro im Monat zu nutzen.
Ich habe sogar Spaß dabei, mit einem Carsharing-Mini Opel Karl abends zum Golfclub Lechfeld nach Königsbrunn zu fahren. Einer muss ja das kleinste Auto auf dem Parkplatz haben. Und wenn ich als Gründer meiner kleinen Kommunikationsagentur mal rasch zu einem Termin in Greater Augsburg fahren muss, dann bin ich als Carsharer zwar nicht mehr so schnell wie früher, aber irgendwie klappt ja trotzdem alles.
Dennoch bin ich skeptisch, ob ich das noch lange durchziehe. Warum? Das lest ihr nächste Woche.